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Neuropsychologie Rheinsberg
Suzan Kabbert-Hättig, Dr. Heinz Hättig
Psychologische Psychotherapeuten, Klinische Neuropsychologen
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Diese Seite enthält nacheinander die beiden Abschnitte A und B

Störungen & Ätiologien

A Neuropsychologische Störungen

1. Gedächtnisstörungen (Amnesien)
2. Arbeitsgedächtnisstörungen
3. Aufmerksamkeitsstörungen
4. Exekutive Störungen
5. Zerebrale Sprachstörungen (Aphasien)
6. Apraktische Störungen (Apraxien)
7. Neglect-Syndrom
8. Zerebrale Sehstörungen

B Ätiologien von Hirnschädigungen

1. dysplastisch durch eine Fehlbildung, bzw. Anlagestörung
2. vaskulär durch Gefäßerkrankungen, Unterversorgung mit Blut
3. traumatisch durch eine Verwundung, SHT
4. neoplastisch durch eine Neubildung
5. hypoxisch durch Sauerstoffmangel
6. entzündlich durch Viren, Parasiten
7. dementiell durch den Alzheimer Prozess
8. toxisch durch Vergiftung
9. hypoglyämisch durch Unterzuckerung


A Neuropsychologische Störungen
(Autor: Dr. Heinz Hättig)

Das menschliche Gehirn, in seiner unfassbaren und zugleich wunderbaren Komplexität, ist das Organ unseres psychischen Lebens und unserer Individualität. Es ist der Träger unseres Bewusstseins, der Ort unserer Erinnerungen, unser Organ zum Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln. Es arbeitet ständig, bei Tag und im Schlaf, auch wenn uns nur ein winziger Anteil seiner Leistungen bewusst wird. Auf sein stilles und verlässliches Funktionieren sind wir angewiesen in allen Bereichen unseres Lebens. Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns können schwere Behinderungen verursachen und die Führung eines selbständigen Lebens in hohem Maße bedrohen.

Neuropsychologische Störungen sind Störungen im Verhalten, Wahrnehmen und Erleben die auf Beschädigungen oder Verletzungen des Gehirns zurückzuführen sind. Sie werden auch als Hirnfunktionsstörungen bezeichnet und sind bis auf wenige Grenzfälle somit "hirnorganisch" verursacht.

Im internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD10) handelt es sich um eine Unterabteilung aus dem Kapitel "Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99)" nämlich um das Kapitel, "Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen (F00-F09)". Patienten die zur neuropsychologischen Therapie kommen haben daher meistens eine Diagnose die mit der Kennziffer F.0. ("F-Null") beginnt. Das ICD finden Sie unter:

 www.dimdi.de

Durch die Beschränkung auf die hirnorganische Verursachung werden die neuropsychologischen Störungen abgegrenzt von Störungen, die eine andere Ursache haben (psychiatrische Störungen, neurotische Störungen). Hirnschädigungen haben verschiedene Entstehungsursachen (Ätiologien) von denen die wichtigsten weiter unten beschrieben wurden. (s. u. Entstehungsursachen von Hirnschädigungen). Schädigungen des Gehirns sind in den jüngeren und mittleren Altersabschnitten meist durch Unfälle, Entzündungen und Tumore verursacht, während sie in den höheren Altersbereichen häufig mit Erkrankungen der Blutgefäße einhergehen, die zum (Gehirn-) Schlaganfall oder zu Blutungen im Gehirn führen können. Nach einer Hirnschädigung weisen die Patienten Störungen in einer oder in mehreren Hirnfunktionen auf. 

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Folgende Störungen werden besprochen:

1. Gedächtnisstörungen (Amnesien)
2. Arbeitsgedächtnisstörungen
3. Aufmerksamkeitsstörungen
4. Exekutive Störungen
5. Zerebrale Sprachstörungen (Aphasien)
6. Apraktische Störungen (Apraxien)
7. Neglect-Syndrom
8. Zerebrale Sehstörungen

 

1. Gedächtnisstörungen (Amnesien)

Nach heutigem Verständnis handelt es sich beim Gedächtnis nicht um eine einheitliche Funktion, sondern es werden verschieden "Gedächtnisse" voneinander unterschieden, die auch einzeln durch eine Hirnschädigung gestört werden können.

Die wesentliche Unterscheidung besteht darin, dass zwischen bewusstseinsfähigen Inhalten (deklaratives oder explizites Gedächtnis) und solchen Inhalten unterschieden wird, die nicht in unser Bewusstsein gelangen (nicht-deklaratives oder implizites Gedächtnis).

Unter bewusstseinsfähig versteht man alles, was sprachlich abgefasst ist oder sich potentiell sprachlich fassen lässt. Hierzu gehören sprachliche Inhalte, Wissen (semantisches Gedächtnis), Wörter aber auch visuelle Erinnerungen an Gebäude, Landschaften oder Menschen und selbsterlebte Ereignisse (episodisches Gedächtnis), die aus unserer Vorstellung heraus sprachlich beschrieben werden können.

Die nicht-deklarativen Inhalte sind dagegen sprachfern und unbeschreibbar (z. B. Wie hält man auf dem Fahrrad das Gleichgewicht?) und doch sind sie Bestandteil unseres langfristigen Gedächtnisses. Hierzu gehören hauptsächlich motorische und sensorische Fertigkeiten die wir oft schon früh gelernt haben und tausendfach eingeübt wurden. Es sind diese Dinge die wir "einfach" können, auch wenn wir sie mal längere Zeit nicht ausüben, so "erinnert" sich unser Körper schnell wieder an sie. Solche Inhalte sind Fertigkeiten wie Gehen, Schaukeln, Fahrradfahrern, Schwimmen oder Tanzen. Die Patienten die zur neuropsychologischen Therapie kommen haben Stöungen des deklarativen Gedächtnisses. Störungen der nicht-deklarativen Inhalte können z. B. im Zusammenhang mit einer Parkinson Erkrankung vorkommen.

Patienten mit deklarativen Gedächtnisstörungen können Schwierigkeiten damit haben, neue Gedächtnisinhalte zu bilden und diese längerfristig zu stabilisieren (anterograde, nach vorn gerichtete Störung). Bereits ab einer Behaltensspanne von einer Minute sprechen die Neuropsychologen von einer Langzeitgedächtnisbildung. Im Extremfall können dann solche Inhalte bereits nach Minuten nicht mehr im Langzeitgedächtnis zur Verfügung stehen. Insbesondere nach einem Schädelhirntrauma kommt es vor, dass auch eine rückwärtsgewandte (retrograde) Gedächtnisstörung entsteht. Die Patienten können dann alles was kurz vor dem Unfall passierte (Tage, Wochen, Monate) nicht mehr erinnern. Aber selbst wenn ein Patient eine völlige globale Amnesie hat, und nichts mehr Neues behalten kann, so funktioniert doch sein nicht-deklaratives Gedächtnis noch: er könnte z. B. beim Schlittschuhlaufen neue Figuren erlernen und diese auch langfristig "behalten" - auch wenn er sich nicht daran erinnern könnte, dass er diese jemals in einem Training erlernt hat. 

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2. Arbeitsgedächtnisstörungen

Bei den Gedächtnisstörungen wurde bereits das deklarative (explizite) und das nicht-deklarative (implizite) Gedächtnis unterschieden. Wie dort dargestellt wurde, haben die Patienten die mit Gedächtnisstörungen zur Behandlung kommen praktisch immer Störungen des deklarativen (bewusstseinsfähigen) Gedächtnisses. Dabei nimmt der Behaltensbereich von unterhalb einer Minute eine besondere Stellung ein.

Dieser Behaltensbereich kann einerseits selektiv gestört werden und andererseits aber auch selbst bei schweren Amnesien gut erhalten sein, da er biologisch durch andere Prinzipien als die Langzeitgedächtnisbildung realisiert wird. In diesem Behaltensbereich befinden sich die Inhalte, die uns in einem bestimmten Moment gerade bewusst sind. Gedanken, Ideen, Einfälle sowie neue gedankliche Zusammenhänge etablieren sich in diesem universellen Zwischenspeicher den man Arbeitsgedächtnis nennt. Ebenso gelangen Erinnerungen an ähnliche Sachverhalte oder Erlebnisse aus dem Langzeitgedächtnis zunächst ins Arbeitsgedächtnis und werden uns dadurch bewusst.

Im Vergleich zu unserem riesigen Langzeitgedächtnisspeicher (neuronale Netze) ist die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses äußerst gering. Häufig sind es nicht mehr als 7 verschiedene Einheiten die darin Platz haben. Gerade genug für die Ziffern einer Telefonnummer oder für eine kurze Einkaufsliste. Dafür kann man aber mit den Inhalten im Arbeitsgedächtnis arbeiten, man kann sie neu kombinieren, ordnen usw. Neue aktuelle Erfahrungen können so bewusst mit den Erfahrungen aus dem Langzeitgeächtnis im Arbeitsgedächtnis zusammen gebracht werden. Neue Lösungen für ein Problem, eine gute Idee oder sogar eine Erleuchtung findet immer im Arbeitsgedächtnis statt. Mit dem Arbeitsgedächtnis bekommt unser Langzeitgedächtnis ein wunderbares Instrument zur Verfügung gestellt mit dem wir denken und kommunizieren können und das uns bewusstseinsfähig macht.

Patienten mit Störungen des Arbeitsgedächtnisses haben meistens eine verkürzte Zahlenmerkspanne. Sie können sich häufig nur 4 oder weniger Zahlen merken. Die Einengung des Arbeitsgedächtnisses wirkt sich nachteilig auf alle höheren geistigen Tätigkeiten aus. Insbesondere leiden das Problemlösen und die Handlungsplanung darunter. In schweren Fällen haben die Patienten sogar Schwierigkeiten Sprache oder Meinungen eines anderen zu verstehen (kognitive Dysphasien). Ebenso können sie dadurch unfähig sein eigene Gedanken so auszudrücken, dass der Zuhörer sie verstehen kann. Häufig liegen bei Störungen des Arbeitsgedächtnisses ausgedehnte Schädigungen der Hirnrinde der Frontallappen vor.  

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3. Aufmerksamkeitsstörungen

Was mit dem Begriff "Aufmerksamkeit" gemeint ist versteht man vielleicht am besten, wenn man ihm dem Begriff des "Gedächtnisses" entgegen setzt.

Gedächtnisinhalte sind in unserem Gehirn durch Netze von verknüpften Nervenzellen in unserer Hirnrinde repräsentiert. Der "Gedächtnisspeicher" ist also tatsächlich räumlich über die Hirnrinde verteilt. Während also das Gedächtnis als struktural-räumlicher Aspekt des Gehirns betrachtet werden kann, lässt sich Aufmerksamkeit als sein koordinierender und aktivierender Aspekt verstehen. Aufmerksamkeit umfasst den Grad (=Aktiviertheit) und die Art der "Inbetriebnahme" des Gehirns, also welche neuronalen Netze aktiviert bzw. angesprochen (=Selektivität) werden und in welcher Reihenfolge.

Physiologisch kann man Aufmerksamkeit als die momentane Menge von Nervenimpulsen verstehen, die auf die Hirnrinde einströmen. Je größer dieser Zustrom ist, desto größer ist die Aktivierung und desto wacher ist jemand. Ohne ein bestimmtes Mindestmaß an Aktiviertheit sind Bewusstsein und gedankliche Leistungen nicht möglich. Reduziert sich der Zustrom, so werden wir schläfrig und unsere Reaktionen und gedanklichen Abläufe werden langsamer. Sinkt der Zustrom unter ein bestimmtes Mindestmaß ab werden wir bewusstlos und fallen schließlich in ein Koma. Aufmerksamkeit umfasst die Regulationsprozesse die zur Änderung der Funktionsbereitschaft des Gehirns führen wie "aufwachen" und "abschalten".

Bewusstsein ist abhängig davon, ob durch die Aktivierung der Hirnrinde ein ausreichendes Arbeitsgedächtnis entsteht. Bewusstsein ist somit eng mit dem Kurzzeit- u. Arbeitsgedächtnis und der kontrollierten (=bewusst gelenkten) Aufmerksamkeit verbunden. Bewusstseinsinhalte sind abhängig vom Anteil und der Abfolge der aktivierten assoziativen Netze.

Neben der Wachheitsregulation muss auch noch geregelt werden, auf was wir aufmerksam sind, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Ziele unserer Aufmerksamkeit können bestimmte Orte in unserer räumlichen Umgebung aber auch gedankliche Prozesse in unserem Bewusstsein sein.

Patienten mit Aufmerksamkeitsstörungen sind häufig verlangsamt, sie sind leicht ablenkbar und ermüden schneller. Es gelingt ihnen schlecht auf die wichtigen Dinge einer Aufgabe zu achten. Die Einschätzung von Aufmerksamkeitsstörungen kann mit den Methoden der Verhaltensbeobachtung, mit Reaktionsaufgaben oder durch Fragebogen erfolgen. Die einzelnen Aufmerksamkeitskomponenten erfordern eine spezifische Behandlung.

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4. Störungen der exekutiven Funktionen

Zum Verhaltensbereich der exekutiven Funktionen gehört die Fähigkeit gedanklich Handlungspläne zu entwerfen, sie zu modifizieren und ihre Effektivität zu bewerten. Auch die Fähigkeit anhand sprachlicher Benennungen Begriffe zu bilden und eine zutreffendes Verständnis des bezeichneten Objektes zu erzeugen gehört dazu. Schon um eine einfache Aufforderung befolgen zu können sind exekutive Funktionen erforderlich. Nehmen wir z. B. den Satz "Zeigen sie den großen grünen Kreis". Hier muss der Patient gedanklich die vorhandenen Objekte nach der Größe und gleichzeitig nach ihrer Farbigkeit beurteilen-

Um Probleme lösen zu können müssen wir aus unserem Langzeitgedächtnis relevantes Wissen für die Problemlösungen aktivieren und zusammenführen aber darüber hinaus die bereits vorhandenen Erfahrungen neu kombinieren um neue Einfälle zu erzeugen. Gedankliche Flexibilität, Umstellfähigkeit, logisches Schlussfolgern und Kreativität unterstützen das Problemlösen ebenfalls. Eine Einengung des Arbeitsgedächtnisses wirkt sich dabei besonders nachteilig auf das Problemlösen und die Handlungsplanung aus.

Patienten mit Störungen der exekutiven Funktionen sind strukturierungsschwach. Sie können die zur Verfügung stehenden Mittel nicht so einsetzen, dass sie zur geforderten Zielerreichung kommen. Sie wirken umständlich und können oft auch sprachlich ihre Mitteilungsabsichten nicht auf den Punkt bringen.

Die Beurteilung der Intaktheit dieses Verhaltensbereiches erfolgt meist qualiativ durch ein breites Spektrum verschiedener Aufgaben, da messende psychometrische Verfahren noch nicht zu allen Aspekten vorliegen. Die Behandlung setzt meistens zunächst an naheliegenden Problemen im Alltag an.

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5. Zerebrale Sprachstörungen (Aphasien)

Eine Aphasie ist eine erworbene Störung in der Verfügbarkeit von Sprach- und Kommunikationsfunktionen, die zu chronischen Defiziten in der Sprachkompetenz des Betroffenen führt. Meist sind es ischämische Infarkte, Blutungen (hämorrhagische Infarkte), Tumore oder Schädel-Hirn-Traumata die zu einer Aphasien führen. Weil die zentrale Sprachkompetenz betroffen ist, wirkt sich eine Aphasie mehr oder weniger in allen Sprachmodalitäten aus und berührt dadurch auch sämtliche Kommunikationskanäle (Sprechen, Schreiben, Verstehen, Lesen, Meinen, Zeichen geben, Zeichen verstehen usw.). Die Patienten haben Schwierigkeiten, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Sie können oft keine richtigen Sätze mehr bilden - sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben. Sie können die Sprache der anderen oft nicht verstehen und bemerken manchmal ihre eigenen Sprachstörungen nicht.

Aphasien werden klinisch in die nachfolgenden 4 Hauptsyndrome eingeteilt:

Broca Aphasie (große Sprachanstrengung, geringe Sprachproduktion, gestörter Satzbau, gestörter sprachlicher Ausdruck, gestörte Sprachexpression).

Wernicke Aphasie (geringe Sprechanstrengung, flüssige aber oft unverstädliche Sprachproduktion, Störungen im Sprachverständnis, eingeschränkte Wahrnehmung der eigenen Sprachstörungen, gestörte Sprachrezeption).

Amnestische Aphasie (leichteste Form der Aphasie, häufig nur noch eine gestörte Wortfindung, bei ansonsten guter Sprachproduktion und gutem Sprachverständnis, tritt meistens als Restsymptom einer Aphasie auf).

Globale Aphasie (Störung sowohl der expressiven als auch der rezeptiven Sprachfunktionen, schwerste Form der Aphasie).

Die Ausfälle einer Aphasie lassen sich jedoch nicht auf die Sprache allein beschränken sondern beziehen mehr oder weniger auch kognitive Funktionen mit ein, die die gemeinsamen Grundlagen von Sprache und Denken bilden (Begriffsbildung, konzeptuelles Denken, Arbeitsgedächtnis). Patienten können somit nicht nur Defizite in der Kommunikation ihrer Absichten und Meinungen haben sondern sie weisen auch Einschränkungen auf, in dem was ihnen zu meinen möglich ist. Solche Defizite werden vom Patienten nicht selbst erlebt und kommuniziert, sie können jedoch in ihrem nicht-sprachlichen und nicht-kommunikativen Verhalten bei der Begriffsbildung und Klassifizieren beobachtet werden.

Alle Aphasie-Patienten haben daher einige kognitive Schwierigkeiten gemeinsam. So ist generell das Erfassen von einzelnen Teilen, Eigenschaften oder Funktionen eines Ganzen erschwert (Störung der Selektivität und der konzeptuellen Fokusierung und Spezifizierung). Das Erkennen von klassifikatorischen Beziehungen, der Über- und Unterordnung von Begriffen, der Klasseninklusion und der Verknüpfung von klassenbildenden Eigenschaften fällt ihnen schwer. Sie können konnotative Beziehungen schwerer erkennen. Damit sind Nebenbedeutungen, analoge oder metaphorische Bedeutungen gemeint.

Aphasien entstehen meist nach Schädigungen der linken Hirnhälfte, weil dort bei den meisten Menschen die Sprachfunktionen angesiedelt sind.

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6. Apraktische Störungen (Apraxien)

Apraxien sind noch schlecht verstandene Störungen im Nachvollzug von einfachen Bewegungen und komplexen sinnvollen Handlungssequenzen. Es sind Syndrome der linken Hemisphäre, betreffen aber die Extremitäten beider Seiten. Die Störungen sind nicht auf motorische Störungen oder auf Störungen des Sprachverständnisses zurückzuführen.

Geprüft werden die Bewegungen durch sprachliche Aufforderung und durch Imitation, mit semantisch gehaltvollen (Pantomime) oder semantisch leeren (abstrakten) Bewegungen der Gliedmaßen (Gliedmaßenapraxie). Eine Apraxie kann sich auch auf Sprechbewegungen beziehen (Sprechapraxie, buccofaciale Apraxie). Neben der Gliedmaßenapraxie gibt es eine Reihe von Apraxien, die nicht unter die obige Definition zu subsumieren sind. Es sind ausschließlich an der Phänomenologie orientierte Störungen mit heterogenen Läsionsorten.

Gliedkinetische Apraxie, Unimodale Apraxie, Magnetische Apraxie, Gangapraxie, Axiale Apraxien, Konstruktive Apraxie, Ankleide Apraxie

Nachfolgend wird nur auf Aspekte der Gliedmaßenapraxie eingegangen die sich als Störungen in 3 Bereichen zeigen kann:

a) in Störungen der Nachahmung und im Imitieren von Gesten

b) in Störungen bei der Pantomime, der Ausführung bedeutungsvoller Gesten nach Aufforderung (früher: ideomotorische Apraxie, ohne Objekt)

c) in Störungen im Gebrauch von realen Werkzeugen und Objekten (früher: ideatorische Apraxie, am konkreten Objekt)

Patienten mit Störungen des Gebrauchs von Werkzeugen und Objekten (früher: ideatorischen Apraxie) können im lebenspraktischen Alltag hilflos werden. Patienten die nur Störungen der Pantomime oder der Nachahmung aufweisen bleiben alltagspraktisch kompetent, da ihnen der reale Gebrauch der Gegenstönde normal gelingt.

Eine (bewusste) Pantomime ist aus verschiedenen Gründen niemals die "identische Bewegung" nur ohne Objekt, sondern sie stützt sich auf die expliziten Aspekte der Bewegung, das Bewegungswissen. Eine Pantomime wird von manchen Autoren als eine Kunstform angesehen. Jedenfalls ist sie eine komplexe Kommunikation von Wissen über den eigenen Körper, der Auseinandersetzung mit dem Objekt, den pointierten, "charakterisierenden" Gebrauch des Objekts unter ständiger Berücksichtigung des Beobachters. Sie "erzählt" vom "körperlichen in der Welt sein" sie ist deklarativ, explizit, sehr sprach- und bewusstseinsnahe. Eine Störung der Pantomime tritt daher auch meistens im Zusammenhang mit zerebralen Sprachstörungen (Aphasien) auf, bei denen dieses Bewegungswissen nicht mehr abgerufen werden kann oder durch eine Läsion verloren gegangen ist.

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Wissen über den Körper vs. Perzeptuelle Analyse

Die Bedeutung des expliziten Wissen über den Körper wird deutlich aus der Gegenüberstellung der Störungen von links und rechtsseitig hirngeschädigten Patienten (L-BD vs. R-BD, Brain Damaged). Bei der Untersuchung der Nachahmung von abstrakten Gesten haben sich zwei Aufgabentypen herausgebildet bei denen man a) eine Hand in eine bestimmte Position zu einem Körperteil bringen muss und b) Fingerstellungen einer Hand nachahmen soll. Dabei hat sich gezeigt, dass R-BD Patienten deutliche Schwierigkeiten mit der perzeptuellen Analyse haben (Fingerstellungen) während L-BD Patienten zusätzlich das Wissen über den Körper nicht abrufen können (Hand-Körper-Stellungen).

In einer Studie wurde auch das Objekt-Zeichnen aus dem Gedächtnis einbezogen. Während Objekt-Zeichnungen aus dem Gedächtnis gleichermaßen bei L-BD und R-BD gestört waren, zeigten sich nur die L-BD Patienten bei der Pantomime beeinträchtigt. Die Pantomime wurde zwischen verbalen und non-verbalen Test eingeordnet. Die Autoren glauben, dass der selektive Zugriff auf bestimmte Eigenschaften von Objekten und Aktionen bei den L-BD Patienten gestört sei.

Um Störungen bei mehrschrittigen Aktionen oder bei der Bedienung technischer Geräte erfassen zu können, müssen die Probanden Handlungen mit konkreten Objekten oder an Geräten ausführen (Kaffeemaschine bedienen, Batteriewechsel am Kassettenrecorder, Kerze mit Feuerzeug anzünden usw.). Solche Störungen wurden früher als "ideatorische Apraxien" bezeichnet. In einer Studie machten L-BD und R-BD aus verschiedenen Gründen bei diesen Aufgaben etwa gleich viele Fehler (R-BD Neglect bzw. Exploration, Aufmerksamkeit, Zielverfolgung, L-BD mit Aphasie hatten apraktische Probleme und Probleme mit dem Aufgabenverständnis).

Neben der "Praxie" ist die Wahrnehmung und die Repräsentation des eigenen Körpers für die Apraxie von Bedeutung.

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7. Neglect-Syndrom

Ein Neglect-Syndrom ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Patient in seinem Verhalten und in seiner Wahrnehmung eine Hinwendung nur zu einer Seite aufweist und gleichzeitig die andere Seite vernachlässigt. Meistens entsteht die Störung nach Schädigungen der rechten Hirnhälfte und die Patienten wenden sich der rechten Seite zu, während für die linke Seite eine Vernachlässigung (Neglect) besteht. Sie verhalten sich als habe die linke Seite aufgehört zu existieren. Sie nehmen von dort kaum etwas wahr und lassen beim Abzeichnen oft diejenigen Elemente aus, die sich auf der linken Seite einer Zeichnung befinden. Damit man von einem Neglect-Syndrom sprechen kann, müssen dabei die primären (sensorischen, motorischen, imaginativen) Funktionen intakt sein.

Der Begriff des "Neglect-Syndroms" geht zurück auf den lateinischen Ursprung "neglegere", was etwa "vernachlässigen" aber auch "verachten" oder "gering schätzen" bedeutet. Ein Neglect lässt sich also nicht als simples Auslassen von Stimuli fassen, sondern er beinhaltet darüber hinaus eine umfassende seitenbezogene abnorme Konstruktion und Konzeptualisierung der gesamten Welt eines Patienten. Hinzu kommen individuelle, (=idiosynkratische) und erfundene (=konfabulatorische) Ausgestaltungen, auf die sich sein gesamtes Verhalten bezieht. Ein Neglect wirkt sich daher auch auf seine inneren visuellen Vorstellungen aus. Diese Fehlkonstruktionen seiner Welt bemerkt der Patient selbst kaum, was ein wesentliches Hindernis für die gesamte Rehabilitation eines Neglect-Patienten darstellt. Die Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr sind meistens nicht gegeben.

Ein Neglect-Syndrom ist eine Störung, die sich in verschiedenen Sinnesmodalitäten zeigt (supramodale Störung, Sehen, Hören, Riechen, Fühlen). Daneben zeigt sie sich auch im Bewegungsverhalten, indem z. B. ein Arm nicht benutzt wird, obwohl keine Lähmung vorliegt (motorischer Neglect). Ein Neglect-Syndrom beinhaltet auch psychopathologische Auffälligkeiten. So sind Neglect-Patienten meistens gleichgültig oder angesichts ihrer Betroffenheit zu positiv gestimmt. Sie haben Schwierigkeiten ihre Situation richtig einzuschätzen und in den Kontext von Beruf und Familie einzuordnen. Manchmal glauben sie, dass sie schon nächste Woche wieder ihre alte Position einnehmen könnten.

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8. Zerebrale Sehstörungen

Sehen ist eine komplexe Leistung, an der sensorische, motorische und attentionale Funktionen beteiligt sind. Sehen ist verstehbar als ein Prozess, in dem eine visuelle Umgebung aufgrund der Wahrnehmung von Strukturen im Licht konstruiert wird. Als Strukturierungen des Lichts können auf einer basalen Ebene seine Helligkeit (Intensität), und seine Wellenlänge (Farbigkeit) betrachtet werden. Diese elementaren Kategorien organisieren sich auf einem mittleren Niveau zu Intensitäts-Übergängen (Kontrasten) die das Sehen von Linien, Formen, Texturen und von Bewegungen erlauben. Die Kombination der Leistungen stellen die höheren visuo-kognitiven Leistungen dar, die in großem Umfang motorische und aufmerksamkeitsbezogene Leistungen integrieren. So wird es uns möglich Objekte wahr zu nehmen, mehrere Sehdinge zu einer Szene zu ordnen oder in einer visuelle Szenen Vordergrund und Hintergrund zu unterscheiden. Schließlich können wir in der visuellen Szene - die unser Gehirn konstruiert - uns verhalten. Wir können darin etwas suchen und uns darin bewegen. Hirnschädigungen können diesen Konstruktionsprozess stören oder verhindern.

Symptome nach Hirnschädigungen: Patienten mit Hirnschädigungen berichten in Fragebögen oft über folgende Symptome: Doppelbilder, Lesestörungen die nicht-sprachlich bedingt sind, anstoßen an Hindernissen (links oder rechts), Übersehen von Personen, Hindernissen oder Fahrzeugen, Schwierigkeiten sich in einer bekannten Umgebung zurechtzufinden, Verschwommensehen oder Unscharfsehen, Blendgefühl oder Dunkelsehen, visuelle Reizerscheinungen. Solche Berichte stimmen zu ca. 90% mit den später tatsächlich objektivierbaren Störungen überein. Hinweise für eine zerebrale Sehstörung können also auch aus Fragebögen erhoben werden.

Gesichtsfeld Störungen und Gesichtsfeld Ausfälle sind nach Hirnschädigungen die häufigsten Defizite. Man unterscheidet den vollständigen Ausfall aller Sehfunktionen in einem Gesichtsfeldbereich (=Anopsie) von dem Zustand, bei dem einige Sehfunktionen (z. B. Lichtwahrnehmung) noch erhalten sind, während andere (z. B. Farbwahrnehmung) fehlen (=Amblyopie). Aufgrund neuronaler Rest-Aktivitäten können sich im anopen Bereich photopische Pseudo-Haluzinationen ereignen. Eine zerebrale Anopsie setzt also nicht voraus, dass alles Gewebe in entsprechenden Hirnarealen völlig zerstört worden ist. Vielmehr kommt hier der systemische Charakter des Sehens zum Ausdruck, der ab einer bestimmten System-Desintegration völlig zusammenbricht.

Gesichtsfeld-Defekte können sich nach Schädigungen der Sehbahn oder des visuellen Kortex einstellen. Abhängig vom Ort der Schädigung können typische Ausfallmuster entstehen. Bei Schädigungen nach der Sehnerven-Kreuzung entstehen immer auf beiden Augen homonyme (gleichsinnige) GF-Defekte. Je nach Ausmaß können sie Teile, Viertel (Quadranten) oder Hälften (Hemi-) des Gesichtsfeldes betreffen. Entsprechende Bezeichnungen sind z. B homonyme Hemianopsie (hH) nach rechts oder untere Quadranten-Anopsie nach links. Bei homonymen GF Defekten (z. B linkes GF des linken Auges und linkes GF des rechten Auges) sind die Ausfallsbereiche nicht immer völlig deckungsgleich. Je näher die verursachende Läsion dem Kortex ist, desto besser stimmen sie in Form und Größe überein.

Auswirkungen von GF-Defekten: Die Retina kann in zwei funktionelle Teilsysteme gegliedert werden: Das periphere Sehen und das foveale Sehen (ca 1-2 Grad). Das periphere Sehen vermittelt uns nur sehr unscharf die Orte in unserem Gesichtsfeld, an denen wir evtl. interessierende Informationen erhalten können. Aber nur das foveale Sehen kann tatsächlich erfassen, was es an den interessierenden Orten zu sehen gibt. Das periphere Sehen ist gekennzeichnet durch visuelle Aufmerksamkeitsprozesse, die im Gesichtsfeld interessante Regionen ausfindig machen, noch bevor das blick-motorische System das scharfe foveale Analyse-System dorthin gewendet hat (verdeckte Aufmerksamkeitsverlagerung). Foveale und periphere Sehleistungen interagieren also in der visuellen Exploration der Umgebung. Diese Interaktion wird zwangsläufig gestört, wenn ein GF-Defekt vorliegt. Er bringt die bisherige routinierte Zusammenarbeit ins Stolpern und erfordert in der Rehabilitation blick-motorische und attentionale Neuanpassungen an das Restgesichtsfeld. Grenzt der Gesichtsfeldausfall nahe an die Mittelinie (unter 4 Grad), dann nimmt auch die Lesegeschwindigkeit auf ca. ein Drittel ab (=hemianope Lesestörung). Bei der hL nach links bestehen Schwierigkeiten die Zeilenanfänge zu finden, bei der hL nach rechts können Wortanfänge und Wortteile nicht mehr normal sakkadiert abgetastet werden.

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B Ätiologien von Hirnschädigungen
(Autor: Dr. Heinz Hättig)


Nervenzellen sind hochspezialisierte Zellen und können auf vielfältige Weise geschädigt werden. Insbesondere reagieren sie empfindlich auf Versorgungsengpässe und Membranschädigungen.

Nervenzellen werden nach ihrer Entstehung nicht wie Hautzellen innerhalb weniger Wochen wieder abgebaut und erneuert, sondern jede einzelne Zelle soll ihre Funktion jahrzehnte- oder lebenslang ausüben. Dadurch können sich in einer Nervenzelle schädigende Substanzen über lange Zeiten akkumulieren. Von allen Zelltypen des Körpers wird in ihnen der größte Anteil aller Gene einmal aktiviert. Dadurch können sie eine große Menge von biologischen Substanzen herstellen die sie für ihre Funktionen benötigen. Die Vielzahl und die Komplexität der in einer Nervenzelle ablaufenden Stoffwechselprozesse sind energetisch sehr aufwendig. Sie haben daher einen extrem hohen Energiebedarf und verfügen selbst jedoch nicht über Energiereserven.

Obwohl das Gehirn nur ca. 2% der Körpermasse ausmacht, verbraucht es ca. 20% der gesamten Energie des Körpers. Dieser hohe Energieverbrauch entsteht hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Membranpotential von Nervenzellen.

Nervenzellen können eine wandernde Depolarisierung des Membranpotentials - das Aktionspotential - auf ihren Axonen ausbilden. Das Aktionspotential selbst ist energetisch passiv - wie das Umkippen von Dominosteinen - und findet eher selten statt. Damit aber ein Aktionspotential - wann immer es erforderlich ist - schnell entstehen kann, muss das Membranpotential unter sehr großem Energieaufwand ständig aktiv aufrecht bzw. in Bereitschaft gehalten werden (= Ionenpumpe). Dies entspricht dem Aufrichten und dem Aufgerichtet-Halten der Dominosteine. Obwohl auch andere Zellen (z. B. Muskelzellen) ein Membranpotential aufweisen, spielt das Membranpotential bei den Nervenzellen eine zentrale Rolle für die Fortleitung des Aktionspotentials. Deshalb benötigen Nervenzellen fast die gleiche Menge an Energie, ob sie nun Aktionspotentiale ausbilden oder nicht. Jede Blockade der Energiezufuhr zu den Nervenzellen führt sofort zu einem Zusammenbruch des Membranpotentials und zur Zerstörung der Zellmembran und mittelbar zur Zerstörung der Zelle. Ähnlich empfindlich reagieren Nervenzellen auf eine Beschädigung der Zellmembran aufgrund anderer Ursachen.

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Nachfolgend werden 9 verschieden Ursachen von Hirnschädigungen besprochen.

1. dysplastisch durch eine Fehlbildung, bzw. Anlagestörung
2. vaskulär durch Gefäßerkrankungen, Unterversorgung mit Blut
3. traumatisch durch eine Verwundung, SHT
4. neoplastisch durch eine Neubildung
5. hypoxisch durch Sauerstoffmangel
6. entzündlich durch Viren, Parasiten
7. dementiell durch den Alzheimer Prozess
8. toxisch durch Vergiftung
9. hypoglykämisch durch Unterzuckerung

In einem umfassenden Krankheitsprozess sind die Ätiologien nicht unabhängig voneinander sondern können in komplexer Weise miteinander interagieren und sich in ihrer schädigenden Wirkung nacheinander kaskadenartig ablösen. Wenn ein Patient im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall ein Schädel-Hirn-Trauma erleidet so werden Neurone zunächst unmittelbar mechanisch geschädigt (traumatisch). Daneben kommt es dabei zu Einblutungen in das Gehirngewebe (toxisch - vaskulär). Bereits nach Stunden schwillt das Gehirn stark an, so dass Hirndruck entsteht und eine Minderperfusion vorliegt (vaskulär - hypoxisch - hypoglykämisch).

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1. Dysplastische Schädigungen

Dysplastische Schädigungen sind generalisierte oder regionale Störungen im zellulären Aufbau des Gehirns, insbesondere der Hirnrinde. Es sind Störungen in den Primärprozessen der (epigenetischen) Entwicklung (Zellteilung, Zellwanderung, Zellverbindung). Sie liegen bereits vorgeburtlich vor.

Bei den Störungen in den Primärprozessen handelt es sich um Störungen der Proliferation (Zellteilung, Zellvermehrung), der Migration (Zellwanderung), der Zellaggregation (Aneinanderlagerung) und der Apoptose (selektiver Zelltod, Zellabbau).

Seltener kommen Störungen der Zellentwicklung (Histogenese) vor. Eine gewisse Sonderstellung nehmen die Störungen in der Reifung der Markscheide ein (=Myelinisierung), da hier kein Primärprozess betroffen ist.

Dysplastische Schädigungen können jahrelang klinisch "stumm" sein und werden häufig erst im Zusammenhang mit der Diagnostik nach einem ersten epileptischen Anfall entdeckt. Auch ohne Epilepsien können sie - meist unbekannterweise - umschriebene Entwicklungsstörungen verursachen (Lese-Rechtschreibschwäche, Artikulationsstörungen u. a.).

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2. Vaskuläre Hirnschädigungen

Vaskuläre Hirnschädigungen sind Störungen der arteriellen Blutversorgung des Hirngewebes aufgrund von Blutgefäßerkrankungen. Sowohl die großen als auch die kleinen Blutgefäße (Mikroangiopathie) können betroffen sein. Im jeweils betroffenen Versorgungsgebiet kommt es zum Neuronenuntergang sobald ein Mindestwert des Energieumsatzes unterschritten wird (Tätigkeitsumsatz 100%, Bereitschaftsumsatz 50%, Erhaltungsumsatz 15%).

Bei den großen Gefäßen unterscheidet man 2 Infarkt-Arten:

a) Ischämische Infarkte ( zu wenig Blut): dabei handelt es sich um einen vollständigen oder teilweisen Verschluss einzelner Arterien der zu einem Territorial Infarkt führt. Verschlüsse können - wie ein Warnzeichen, noch bevor es zu bleibenden Ausfällen kommt - kurzzeitig und reversibel sein (transitorisch ischämische Attacke, TIA). In Abhängigkeit von der Schnelligkeit mit der sich die Durchgängigkeit des betroffenen Gefäßes wieder herstellt (=Reperfusion), sind auch die umschriebenen Funktionsausfälle reversibel. Die Gefäße können sich aufgrund erhöhter Blutfettwerte allmählich zusetzen oder aber relativ plötzlich durch einen Pfropfen (Trombus) verstopft werden (=Trombo-Embolie). Solche Tromben können auch außerhalb des Gehirns gebildet werden (z. B. im Herzen). Sobald sie sich dort ablösen werden sie mit dem Blutstrom ins Gehirn gespült.

b) Hämorrhagische Infarkte ( zu viel Blut): Dabei handelt es sich oft um arterielle Blutungen, die unter Druck stehen (Massenblutung, Gefäß-Ruptur). Dabei kann das im Strahl austretende Blut bereits mechanisch das Hirngewebe schädigen (Wühl-Blutungen). Daneben wirkt der direkte Kontakt des Blutes toxisch, wie ein Gift auf das Hirngewebe. Werden Massenblutungen überlebt, liegen meist ausgedehnte und schwere Hirnschädigungen vor. Die subarachnoidale Blutung z. B. infolge einer Aneurysma-Blutung ist oft eine venöse Blutung. Hier hat das Blut zwar keinen "direkten" Kontakt mit dem Hirngewebe, da noch eine dünne Lage der Arachnoidea dazwischen ist. Trotzdem kommen auch hier oft neuropsychologische Ausfälle vor.

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3. Traumatische Hirnschädigungen

Bei Schädigungen in der Folge von Gewalteinwirkung auf das Gehirn lassen sich mehrere Schädigungsmechanismen unterscheiden. Man unterscheidet ein offenes und ein gedecktes Schädel-Hirn-Trauma (SHT), mit und ohne Blutungen, wobei dies lediglich Beschreibungen sind, die nichts über die schwere des SHTs aussagen.

Im Zusammenhang mit dem SHT kommt es im Gehirn zu Scher-Kräften (Quer-Kräften) insbesondere an den langen Bahnen und Faserbündeln. Da die einzelnen Hirnteile unterschiedliche Massen haben, reagieren sie entsprechend unterschiedlich auf die Beschleunigungs- bzw. Verzögerungskräfte und es entstehen Spannungen zwischen den Hirnteilen. Diese mechanische Kräfte schädigen die Membran. Daneben durchlaufen bei einem SHT Druckwellen den Schädel und es kommt zu plötzlichen Druckdifferenzen und Unterdruck-Zonen. Dabei können nach einer Theorie die im Blut gelösten Blutgase plötzlich austreten und das Gehirn schädigen. Der Vorgang ist vergleichbar dem Öffnen einer Mineralwasserflasche, wo bei Druckentlastung die im Wasser gespeicherte Kohlensäure plötzlich ausperlt. Insbesondere die Hirnschädigungen die gegenüber dem Auftreffpunkt liegen (Contre-Coup Schädigungen) werden durch solche Mechanismen erklärt.

Hirnschädigungen die durch ein SHT entstanden sind weisen daher meist eine Bipolarität auf (Coup und Contre-Coup). War der Auftreffpunkt seitlich so liegt praktisch immer eine Bilateralität der Schädigungen vor. Deshalb ist bei den Patienten oft die Funktionsübernahme (Kompensation) durch die andere Hirnhälfte behindert (kontralaterale Kompensation). In diesem Sinne sind bei einem schweren SHT immer beide Hirnhälften mehr oder weniger stark betroffen. Neuropsychologische Störungen aufgrund von SHT Schädigungen sind daher allgemein schwerer zu rehabilitieren.

Im Zusammenhang mit schweren SHTs kommt es häufig zu weiteren intensivmedizinischen Komplikationen wie Hirnschwellung, Raumforderung, Hirndruck, weitere Infarkte, weitere Schwellung und Einklemmung.

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4. Neoplastische Hirnschädigung

Infolge einer ungeregelten Zellvermehrung (Proliferation) entstehen Geschwulste bzw. Tumore. Da manche Tumore das Hirngewebe stärker infiltrieren haben sie manchmal nur geringe Raumforderungen. Andere Tumore schädigen das Gehirn gerade durch die Raumforderung. Durch das Tumorwachstum kann es zu Hirndruck und Infarkten kommen. Weitere Schädigungen können durch die radiologische und chirurgische Behandlung der Tumore entstehen.

Die Benennung erfolgt meist nach dem Zell-Typ der tumorös entartet ist. z. B.: AstroZyten (Astrozytom), GliaZellen (Gliom), OligoDentriten (Oligodentrozytom), Meningen (Meningeom). Den Tumoren wird in Abhängigkeit ihrer Wachstumsgeschwindigkeit eine bestimmte Gefährlichkeit (Malignität) zugeordnet. Maligne Tumore schädigen die Blut-Hirn-Schranke und nehmen deshalb Kontrastmittel auf.

Weiter wird unterschieden ob es sich um hirneigenes Gewebe (hirneigener Tumor) oder um hirn-fremdes Gewebe handelt (hirnfremder Tumor, Metastasen aus anderen Tumoren).

Tumore können bestimmte Stoffe absondern die vom Immunsystem nicht mehr als körper-eigen erkannt werden und den Körper selbst zu einer pathologischen Abwehr-Reaktionen veranlassen (paraneoplastisches Syndrom).

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5. Hypoxische / anoxische Hirnschädigung

Wird die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn allmählich oder abrupt unterbrochen resultieren diffuse Hirn-Schädigungen. Meist ist ein respiratorischen Sauerstoffmangel die Ursache wie bei Ertrinken, Ersticken oder Erhängen. Ähnliche Auswirkungen hat ein Herzstillstand. Pro Minute Herzstillstand sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um 10%. D. h. nach 10 min liegen die Chancen bei Null. Auch nach einer erfolgreichen Reanimation liegen daher meist massive Hirnschäden vor.

Generell besteht eine hohe Empfindlichkeit der Neurone für Sauerstoffmangel. die resultierenden Schädigungen betreffen zwar das gesamte Gehirn, wirken sich aber gerade auf die besonders aktiven Regionen, die einen hohen Verbrauch haben, zuerst aus (Basalganglien, Hippocampus). Bei hypoxischen Phasen kommt es auch zu verteilten kleineren Einblutungen.

In milderen Fällen liegt in bestimmten Regionen ein prozentualer Anteil geschädigter Neurone vor, der zu Muskelzuckungen (Myoklonien), Epilepsie und neuropsychologischen Funktionsstörungen führt.

Sind die Zelluntergänge sehr ausgedehnt kommt es zu den üblichen nachfolgenden Komplikationen (erhöhter Hirndruck, verminderte Mikrozirkulation, Risiko für Infarkte).

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6. Entzündliche Hirnschädigung

Bei entzündlichen Hirnschädigungen erfolgt die Schädigung durch einen viralen oder bakteriellen Erreger, oder eine Autoimmunerkrankung (z. B. MS). Die Erreger schädigen dabei direkt das Hirngewebe oder sie wirken durch toxische Substanzen oder indem bestimmte Entwicklungsstadien eines Parasiten im Gehirn stattfinden (z.B. Zystizerkose).

Von einem Erreger kann das Gehirn selbst (Enzephalitis) oder die Hirnhäute (Meningitis) betroffen sein. Für bestimmte Viren gibt es einen bevorzugten regionalen Befall im Gehirn sog. Prädilektionsstellen. Meist liegt bei Viren eine Bilateralität des Befalls vor, der schwer zu kompensierende Funktionsausfälle macht.

Ein parasitärer Befall kann saisonal oder an das endemische Gebiet gebunden sein (FSE, Früh-Sommer-Enzephalitis, Zystizerkosen, Borrelien). Nach der Diagnose erfolgt eine antibiotische oder eine anti-virale Behandlung. Als Folgeschäden verbleiben evtl. Epilepsien und neuropsychologische Funktionsstörungen

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7. Dementielle u. degenerative Hirnschädigung

Die Schädigungen erfolgen durch heterogene, häufig noch unbekannte Mechanismen, die zu einem Verlust von Nervenzellen führen (fehlgeleitete Apoptose? Mikro-Organismen?). Am intensivsten wurde der Alzheimer Prozess untersucht, bei dem ein bestimmtes Eiweißmolekül aus der Zellhülle (Membranprotein, Amyloid) an einer falschen Stelle durchtrennt wird, so dass die resultierenden Teilstücke fälschlicherweise eine Aktivierung der Immunabwehr auslösen. Dabei werden die Mikro-Gliazellen aktiviert die sich auf den betroffenen Zellen anhaften. Dies wiederum führt zu Verklumpungen (Plaques) und dem Absterben von Neuronen. Neuere Forschungen legen nahe, dass bei mehreren Demenzen die falsche Auffaltung von Eiweißketten (Proteine) eine Rolle spielt, die sich wie eine Kettenreaktion auf andere, noch normal gefaltete Proteine, überträgt und sich dadurch im Gehirn ausbreitet (Mechanismus der Prionenerkrankungen, Rinderwahnsinn, BSE, Creutzfeldt-Jakob Krankheit, Alzheimer, ALS, Parkinson).

Insgesamt sind ca. 120 dementielle Erkrankungen mit verschiedenen Entstehungsursachen bekannt.

In den meisten Fällen interagieren die häufigsten Prozesse miteinander und sind bei einem dementen Patienten gleichzeitig vorhanden: der Alzheimer-Prozess, die vaskuläre Demenz und die Bildung von Lewy Körper. Zu Beginn des dementiellen Prozesses finden sich im Gehirn regionale Schwerpunkte der Schäden, später liegt eine generalisierte Atrophie des Gehirns vor.

Bei einer Demenz muss immer das Gedächtnis und zusätzlich mindestens eine weitere neuropsychologische Funktion (Sprache, Aufmerksamkeit, Raumorientierung, Handlungsplanung) schwer betroffen sein.

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8. Toxische Hirnschädigung

Bei einer toxischen Hirnschädigung erfolgt die Schädigung durch körperfremde oder körpereigene Stoffe. Es ergeben sich diffuse Schädigungen, mit regionalen Schwerpunkten je nachdem in welchem Ausmaß die Zellen die Substanzen aufgenommen haben. Wegen der Langlebigkeit der Neurone können Schwermetalle, oder sogenannte "Umweltgifte" sich über lange Zeit in den Neuronen ansammeln und erst dadurch ihre schädigende Wirkung entfalten.

Andere Substanzen wie der Alkohol üben einerseits eine direkte neurotoxische Wirkung auf die Membran von Nervenzellen aus (diffuse, kortikale Atrophie und periphere Läsionen) und erzeugen aber langfristig indirekte Wirkungen wie Bluthochdruck, Lebererkrankungen, hepatotoxische Wirkung, Leber-Koma.

Alkohol vermindert die Blutgerinnung und es kommt zu vermehrten kleinen Blutungen die ihrerseits Hirnschäden bewirken können (Alk. KorskoffSyndrom)

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9. Hypoglykämische Hirnschädigung

Fällt die Versorgung der Nervenzellen mit Zucker (Glukose) aus, kommt es zu Schädigungen durch Unterzuckerung. Häufig wir dieser Zustand auch durch eine - beabsichtigte oder unbeabsichtigte - Überdosierung von Insulin ausgelöst.

Ähnlich wie bei Hypoxie kommt es zu schweren diffusen Schädigungen, mit regionalen Schwerpunkten jedoch nicht zu den zusätzlichen Einblutungen. Meist sind die Patienten nicht mehr bewusstseinsfähig und sie verbleiben in einem persistierenden vegetativen Zustand (Wach-Koma)

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